Das – letzte – Buch Hermann Scheers stellt das grundlegende Kompendium zum Wechsel von der fossil-atomaren Energieerzeugung zu den erneuerbaren Energien dar. Im Umfeld der heutigen Energiewendeszene wirkt es wie ein Leuchtturm und Wegweiser. “Der energethische Imperativ“ erörtert – in einer Tiefe, die man sonst nicht findet – sowohl die technischen Herausforderungen als gerade auch die politischen, gesellschaftsstrukturellen und bis ins Psychische reichenden Implikationen des Energiewechsels. Hierbei stellt sich heraus, dass der Ethik eine überragende Bedeutung zukommt – so sehr, dass Scheer zur Wortschöpfung greift und sie durch das „h“ in den Buchtitel holt. Auf diesen Aspekt soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden.
Was ist das eigentlich: „Ethik“?
Geht man bei den Philosophen auf Suche, findet sich eine Vielfalt von Definitionsversuchen. Häufig wird die Ethik im Bedeutungsfeld von Moralität angesiedelt. Doch: Moral, also Sitten und Gebräuche, die in einer bestimmten Gesellschaft Anerkennung gefunden haben – ist das wirklich mit Ethik gleichzusetzen?
Beim Titel von Scheers Buch hat ganz offensichtlich der „kategorische Imperativ“ Kants Pate gestanden. Dieser ist eng verknüpft mit dem Begriff „Maxime“. In der kantischen Ethik bedeutet Maxime „subjektives Gesetz, nach dem man wirklich handelt“ oder „subjektives Prinzip des Wollens“. Mit dem „kategorischen Imperativ“ ruft er auf: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde.“ Ihr gebührt somit eine umfassende Gestaltungskompetenz.
Die Maxime ist subjektiver Natur, logischen Definitionen daher enthoben. Das bedeutet Stärke und Unangreifbarkeit einerseits und Waffenlosigkeit gleichzeitig: Man ist darauf angewiesen, dass der Mitmensch eine eigene Erfahrung von der Realität jener Maxime hat, dass er diese innere Stimme kennt, die ihm genau sagt, was in einer Situation richtig oder falsch, gut oder schlecht ist. Bedauernswert, wer den Zugang zu dieser in uns vorhandenen Dimension noch nicht entdeckt hat! Kant preist sie mit den berühmten Worten: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir lassen mich an einen Gott glauben.” Wobei mit Gott sicher nicht die kindliche Vorstellung vom alten Mann mit dem langen Bart gemeint ist.
Quelle: https://www.pv-magazine.de